Ausstellungen im Lentos, in der Landesgalerie Linz und im Wiener Leopold Museum schauen sich Männer genauer an.
„nackte männer“
19.10.2012 – 28.1.2013
Leopold Museum, Museumsplatz 1, 1070 Wien
Die Ausstellung „nackte männer“ spannt den Bogen von der Aufklärung im 18. Jahrhundert bis heute, ergänzt durch wichtige Referenzwerke aus dem alten Ägypten, der griechischen Vasenmalerei und der Renaissancezeit. Thematisiert werden die unterschiedlichen künstlerischen Zugänge, konkurrierende Männlichkeitsmodelle und der Wandel von Körper-, Schönheits- und Wertvorstellung. Ausgehend von der Antike als Maßstab und Vorwand für spätere sexuell sehr eindeutige Bilder widmet sich die Ausstellung den Bildnissen badender Männer Ende des 19. Jahrhunderts. Ein weiterer Schwerpunkt sind die nackten Selbstporträts der Expressionisten Egon Schiele und Richard Gerstl sowie die Veränderung in der Wahrnehmung nackter Männer nach 1945. [Foto: François-Léon Benouville, Achills Zorn (Detail), 1847 / Musée Fabre, Montpellier]
www.leopoldmuseum.org
„Walter Pfeiffer:
In Love With Beauty“
bis 18.11.2012
Landesgalerie Linz, Wappensaal, Museumstraße 14, 4010 Linz
In Kooperation mit dem Fotomuseum Winterthur zeigt die Landesgalerie Linz erstmals in Österreich eine Personale des Schweizer Künstlers Walter Pfeiffer. Pfeiffers freche Erotik und ungekünstelte Unmittelbarkeit stand in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts im perfektem Einklang mit der Punk-/Wave-Bewegung, während sein tagebuchartig, betont unprätentiöser Zugang zur Fotografie die „Schnappschuss”-Fotografie der 1990er Jahre vorzeichnete. Den Großteil der 1980er Jahre widmete sich Pfeiffer der Suche nach seinem Ideal männlicher Schönheit. In den letzten Jahren hat Pfeiffer seine Ästhetik immer weiter verfeinert und für internationale Zeitschriften wie i-D, Butt, die deutsche Vanity Fair, Têtu und Out Magazine gearbeitet. [Foto: © Walter Pfeiffer, Pro Litteris]
www.landesgalerie.at
„Der nackte Mann“
26.10.2012 bis 17.12.2013
LENTOS Kunstmuseum Linz, Ernst-Koref-Promenade 1
Die Ausstellung erzählt, wie der Mann sich seit dem letzten Jahrhundert neu erfindet – und wie er sich seiner Nacktheit stellt. Mit Mut und Zweifel, mit der Lust auf neue Lebensentwürfe. Mehr als 300 Exponate – mit Leihgaben aus den USA und ganz Europa – bilden zwölf Kapitel einer Schau, die in bislang ungesehener Weise die Rolle des Männerkörpers über mehr als ein Jahrhundert hinweg untersucht. Um 1900 verändert die erste große Krise der männlichen Identität den Blick auf den Männerakt. Für die Künstler der Moderne wird der, jeder Rolle entkleidete, nackte Körper zum Mittel der Selbstbefragung und zum Bedeutungsträger gesellschaftspolitischer Erneuerung. Von diesem Zeitpunkt an folgt die Ausstellung dem nackten Mann durch das 20. und 21. Jahrhundert. [Foto: Bernhard Prinz, O.T. (Verwundung), aus der Serie „Blessur“ (Detail), 1996, Bernhard Knaus Fine Art, Frankfurt am Main und Produktionsgalerie Hamburg]
www.lentos.at
Zeitgleich:
„VOLLMILCH. Der Bart als Zeichen“
Die Bartbehaarung im Dienst des Milieu- und Genderkonstruktivismus – vom ironischen Porno-Proll-Schnauzer der Hipsters bis zum queeren Vollbart der Anti-Hipsters.
Tandemführung
mit Gerhard Niederleuthner (HOSI Linz) und einer Kunstvermittlerin des Lentos:
Sa., 27.10.2012, 16.00 Uhr; Eine Kooperation von Lentos und HOSI Linz (Ermäßigter Eintritt für HOSI-Mitglieder: € 4,50)
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Bewirb Dich: From Disco to Museum
Für die Installation „Untitled“ (Go-Go Dancing Platform), 1991, des kubanischen Künstlers Felix Gonzalez-
Torres im Rahmen der Ausstellung „Der nackte Mann“ kooperiert die HOSI Linz mit dem Lentos Kunstmuseum. Auf einem hellblauen Holzpodest der von weissen Glühbirnen eingerahmt ist präsentiert sich ein Gogo-Tänzer, nur bekleidet mit einem silbernen Slip und Sneakers, und tanzt täglich für fünf Minuten. Der Zeitpunkt ist ein zufälliger – die Installation ist ein Spiel mit dem Begehren und Erwartungen der BesucherInnen. Auch wird damit selbstbewusstes (homo)erotisches Leben sichtbar.
Tänzer gesucht
Die HOSI Linz sucht sechs bis zehn Männer, die bei diesem Projekt mitmachen und die ein selbstbewusstes Lebensgefühl mit Discofeeling ins Museum bringen wollen. Mehr Infos zu den Rahmenbedingungen (finanzielle Honorierung, Geschenke in Form eines Kataloges und einer Linzer Kultur-Card) unter: www.hosilinz.at/torres oder ooe@hosilinz.at
[Foto: Felix Gonzalez-Torres / Untitled (Go-Go Dancing Platform), 1991 / Kunstmuseum St. Gallen, Leihgabe aus Privatbesitz / Foto: Stefan Rohner]
Mehr Hintergrundinfos:
Text: Stella Rollig, Direktorin LENTOS Kunstmuseum
Felix Gonzalez-Torres
“Untitled“ (Go-Go Dancing Platform), 1991
Holz, Glühbirnen, Akrylfarbe; 54,61 x 182,88 x 182,88 cm
Kunstmuseum St.Gallen, Leihgabe aus Privatbesitz
Das Werk besteht aus einem schimmernd zartblau gestrichenen Holzsockel, der mit Glühbirnen eingefasst ist. Ein festlicher Anblick. Man denkt an Bühne, Jahrmarkt, Varieté. Ein Ereignis ist zu erwarten.
Fast immer ist der Sockel leer, nur die Glühbirnen leuchten. Doch einmal am Tag, unangekündigt, betritt ein Go-Go-Tänzer die Plattform. Nackt bis auf einen silbernen Slip und Turnschuhe tanzt er exakt fünf Minuten lang zu Musik, die nur er selbst aus seinem Walkman, iPod oder Handy mit Kopfhörern vernehmen kann. Danach verschwindet er wieder. Der Sockel verbleibt leer. Es darf, so bestimmte der Künstler, keinen Hinweis auf den Zeitpunkt des Auftritts geben.
Felix Gonzalez-Torres wurde 1957 in Kuba geboren und starb 1996 in Miami, USA, an den Folgen seiner Infektion mit dem HI-Virus. Liebe, Erinnerung, Sehnsucht und Verlust sind die Themen seines Werks, das sich durch seine direkte Bildsprache unmittelbar mit Erfahrungen der BetrachterInnen verbindet. Aufbauend auf Kunstströmungen wie Minimalismus und Konzeptkunst – die als kühl und kopflastig gelten – nahm Gonzalez-Torres deren klare Formensprache auf und bereicherte sie um Emotion und direkten Austausch mit dem Publikum. Viele Arbeiten erlauben den BetrachterInnen, sich an ihnen zu bedienen: Haufen von Süßigkeiten oder Stapel von Plakaten schwinden während der Ausstellung dahin – eine Metapher für das Sterben als Reaktion auf die AIDS-Tragödie.
“Untitled“ (Go-Go Dancing Platform) schafft ein Bild, eine Situation, als verdichtetes Erleben von Sehnsucht, Abwesenheit und Imagination. Natürlich verkörpert das männliche Modell für Gonzalez-Torres ein politisches Anliegen: befreite und selbstbewußte Homoerotik. Doch darüber hinaus berührt das Werk jede und jeden der es sieht – oder eben (fast) nie vollständig sieht.
Die Wahrscheinlichkeit, als BesucherIn den Tänzer zu sehen, ist gering. Doch genau darum geht es: um ein Sinnbild für Begehren, dass nie vollständig eingelöst werden kann.